Forum für Kunst und Kultur, Herzogenrath
2022
Susanne Kolossa
Fukushima, mon amour I – 2011, Mischtechnik auf Segeltuch, 170 x 160 cm
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
auch ich möchte Sie ganz herzlich zu dieser Ausstellungseröffnung begrüßen, die ganz unterschiedliche Arbeiten von Catharina de Rijke und Marianne Roetzel für uns bereithält.
»Hinter dem Horizont«, so heißt der treffende Titel der Ausstellung. Und dieser Titel setzt eine Fülle an Assoziationen frei. Sicherlich kommt Ihnen sofort eine Liedzeile von Udo Lindenberg in den Sinn, die uns verrät, dass es hinter dem Horizont immer weiter geht. Ein beruhigendes Gefühl!
Mit dem Horizont bezeichnen wir die Linie, die den Himmel von der Erde trennt. Eine Linie, die für uns in weiter Ferne liegt, sozusagen am Ende unseres Sehens. Der Horizont ist ein Punkt, den wir physisch niemals erreichen werden, weil er sich immer in dem Maß von uns entfernt, wie wir ihm näherzukommen versuchen. Aber genau diese Entrücktheit, diese unüberwindbare, immer gleichbleibende Distanz macht den Reiz des Horizonts aus. Der Titel der Ausstellung verspricht, an dieser Grenze nicht Halt zu machen, sondern darüber hinaus zu gehen, eben hinter den Horizont. Und was erwartet uns da?
Die Malereien und Installationen von Catharina de Rijke, und das breite Spektrum an Skulpturen von Marianne Roetzel. Das unakademische Sehen, das nicht nach Komposition und historischen Zusammenhängen schaut, will zunächst erleben, will eingefangen werden, will schlicht genießen. Dieses Sehen ist emotional, es filtert das Wahrgenommene auf seine Weise und kann daher eine besondere Unmittelbarkeit erzeugen. Vielleicht deshalb und nur ganz flüchtig kommen einem diffuse Farbflächen und Abdrücke in den Sinn, wenn man den Bildern von Catharina de Rijke das allererste Mal gegenübertritt. Aber nein. Catharina de Rijke schafft keine Kleckereien. Im Gegenteil.
Catharina de Rijke schafft konzentrierte Bilder, die klar ihr Thema zeigen, indem sie alles überflüssige einfach nicht malt. Stattdessen legt sie größte Sorgfalt auf Farbverläufe, Farbklänge und Farbnachbarschaften. Sie arbeitet auf eine kompositorische Ausgewogenheit der Bildgegenstände hin und minimiert ihre Erscheinung hin zum Kontemplativen. Ihre Bilder sind schwer zu greifen, vielleicht auch schwer zu begreifen. Auf jeden Fall vermitteln sie eine Momentaufnahme, ein kurzes Innehalten, bevor das Bild sich weiter verändert. In ihrer Präsenz wirken sie seltsam entrückt, irgendwie flüchtig. Auf jeden Fall bewegt und nachhaltig.
Die Serie This Earth/This Passage zeigt beispielhaft, wie vieldeutig und vielschichtig die Arbeiten sind. Der im Titel angedeutete Übergang, das Verständnis, dass wir auf der Erde nur Besucher auf Zeit sind, setzt Catharina de Rijke auch malerisch um. Das Thema ist die Geburt eines Vogels aus dem Ei. Dieser erhabene Moment der Befreiung einerseits und das schutzlose Ausgeliefertsein andererseits ist sehr symbolisch. Ihre Handschrift ist unverwechselbar. Die in mehreren, transparenten Farbschleiern oder opaken Schichten aufgetragene Malerei verdichtet manchmal das zentrale Motiv oder löst es auf. Die Farbpigmente sind mal mehr, mal weniger präsent, nie aufdringlich oder laut. Catharina de Rijke fokussiert genau den Übergang, an dem sich die Malerei auflöst. Es ist eine sehr poetische Passage, die von fließenden, flüchtigen Übergängen erzählt.
Catharina de Rijke widmet sich vor allem Landschaften, die keineswegs reale Landschaften abbilden, sondern vielmehr mit der Idee von Landschaft spielen. In ihren Bildern spiegeln sich ihre technischen Erfahrungen mit den Strukturen, Farben und Lichtreflexen, aber vor allem zeigen ihre Malereien ihre geistige Auseinandersetzung mit der Landschaft. Sie schafft Idyllen, die auch zerstört werden können, sei es durch Reaktorunfälle in Fukushima oder Hochwasser. Sie erforscht und öffnet neue Räume. Als Künstlerin lotet sie das Machbare aus. Geht über Grenzen hinweg. Sie selbst sagt dazu: »Ich möchte mich gerne dorthin begeben, wo die Malerei unsichtbar wird, wo sie sich von allen Sinnen und Materialität löst. Dorthin, wo es keinen Horizont gibt, sondern nur Horizont-Ereignisse und eine schwebende, heitere Leichtigkeit.«
Catharina de Rijke vermag es, das grundlegende Trägermaterial allein mit Farbe etwas Einzelnes, sogar Einzigartiges zu verwandeln, als hätte sie dem Ding ein Stück Seele gegeben, ihm mit Finger und Kreide etwas von der Zartheit und dem Verletzbaren eines lebenden Wesens. Malerei kann das, wenn sie nicht allein wissend und gekonnt, sondern auch derart hingebungsvoll formuliert ist.
Nicht weniger hingebungsvoll sind die Skulpturen von Marianne Roetzel. Bleiben die Bilder von Catharina de Rijke zwangsläufig im Zweidimensionalen verhaftet, erreicht Marianne Roetzel mit ihren Installationen die Ausdehnung in den Raum. Mehr noch, ihre Skulpturen nehmen den Raum in Besitz und nehmen das Publikum gleich mit. Lebensgroße Wesen, Vögeln nicht unähnlich, stehen dicht an dicht im Raum. Mit ihren erhobenen Köpfen auf langen Hälsen muten sie klar und strukturiert an. Die nähere Betrachtung zeigt jedoch, dass es keineswegs ein Heer an uniformen Gestalten, sondern Individuen sind, die ganz unterschiedlich ausgeformt sind. Doch die langen Hälse, der streng gerichtete Blick macht eine Begegnung auf Augenhöhe schwierig. Man bleibt aussen vor, ist nicht beteiligt. Und dennoch sucht man Kontakt, ist viel zu neugierig. Zu viele Fragen ergeben sich. Wer sind sie? Woher kommen sie? Wohin werden sie gehen, vielleicht sogar fliegen? Auch hier ist die Passage, der Übergang, ein wichtiges Moment.
Die geflügelten Wesen von Marianne Roetzel machen Rast, halten innen auf ihrer Reise, von der wir keine Ahnung haben. Vielleicht ist es ihnen ja möglich, hinter den Horizont blicken? Man weiß es nicht. Und diese Ungewissheit fasziniert. Die Formation der Vogelwesen erscheint geschlossen, massiv, fast trutzig. Das Material dagegen ist alles andere als massiv. Marianne Roetzel formt ihre Figuren mit Pappmaché, das sie um ein Gerüst aus Baustahl legt. Pappmaché ist ein Material, das sehr fragil und schwierig in der Verarbeitung ist. So verwandeln sich diese geheimnisvollen Wesen auf den zweiten Blick zu empfindlichen, schutzbedürftigen Objekten.
Marianne Roetzel haucht ihnen durch den Entstehungsprozess neues Leben ein. Sie macht neugierig auf das in den Objekten Verborgene, deren Geschichte, deren Herkunft, sie wechselt zwischen Künstlichem und Natürlichem, Offensichtlichem und Verborgenem, Innen und Außen. Indem sie die Wesen positioniert und mit dem Publikum konfrontiert, schreibt sie deren Geschichte fort. Von diesem Spiel zwischen Ansehen und Aussage erzählen auch ihre eher menschlicheren Figuren. Auch hier sind es aufrechtstehende, schlanke Figuren, zu einer Gruppe formiert. Und es nicht eindeutig, welchen Geschlechts sie sind. Männer oder Frauen. Ihre Hautfarbe differiert, mal heller, mal dunkler. Sie treten hier als Einheit auf. Ihr Blick ist aufrecht, aber die Augen scheinen verschlossen. Ihr Gesichtsausdruck ist leer, vielleicht resigniert. In Decken gehüllt erinnern sie uns, gewollt oder nicht, sofort an die Situation von Geflüchteten. Zu präsent sind uns allen die Bilder aus den Nachrichten, die von Flüchtlingsströmen, Gestrandeten und Hilfebedürftigen erzählen. Ein beklemmendes Gefühl, dieser Situation im Raum direkt ausgeliefert zu sein, ohne schützenden medialen Filter.
Marianne Roetzel spielt mit der Irritation der Betrachtenden, mit der Begegnung mit dem Unerwarteten. Aber gerade das Unerwartete führt zu neuem Denken, weil es Sehgewohnheiten aufbricht. Trauen Sie sich also, Kontakt aufzunehmen. Vielleicht rettet uns an anderer Stelle der lachende Kopf aus dieser Situation? Sicher nicht. Denn sein Lachen ist zu laut, zu aufgesetzt, als das es aus Freude wäre. Man wird das Gefühl nicht los, selber ausgelacht zu werden. Vielleicht aus Wut und Verzweiflung über unsere Untätigkeit? Es gibt Künstlerinnen und Künstler, die ihre kreativen Impulse primär aus der Kunst selbst schöpfen, andere wiederum werden maßgeblich von ihrer Herkunft und ihrem gesellschaftlichen Umfeld geprägt, wieder andere treibt die permanente Infragestellung der eigenen Werke an.
Catharina de Rijke und Marianne Roetzel bedienen sich aus allen drei Inspirationsquellen gleichermaßen und lassen diese in ihren Werken einfließen. Beide Künstlerinnen eint eine große Verbundenheit zur japanischen Kultur, beide Künstlerinnen thematisieren in zurückhaltender Weise gesellschaftlich kritische Themen. Diese künstlerische Vorgehensweise gleicht einer Collage, bei der die einzelnen Teile aus ihrem ursprünglichen Kontext isoliert und zu etwas völlig Neuem zusammengefügt werden. Auf diese Weise wird Gewohntes neu gesehen, werden andere Standpunkte eingenommen oder vielleicht erst ermöglicht.
Hinter dem Horizont, und damit komme ich noch einmal zum Anfang meiner Rede zurück, impliziert nicht zuletzt auch die Motivation, an etwas Unmöglichen dranzubleiben. Hinter dem Horizont geht es weiter, das wissen wir. Nur wie, bleibt weiterhin spannend. Und so wünsche ich mir und Ihnen, dass wir noch viele gemeinsame Ausstellung sehen werde, die uns immer wieder neue Einblicke und Erkenntnisse liefern werden.
auch ich möchte Sie ganz herzlich zu dieser Ausstellungseröffnung begrüßen, die ganz unterschiedliche Arbeiten von Catharina de Rijke und Marianne Roetzel für uns bereithält.
»Hinter dem Horizont«, so heißt der treffende Titel der Ausstellung. Und dieser Titel setzt eine Fülle an Assoziationen frei. Sicherlich kommt Ihnen sofort eine Liedzeile von Udo Lindenberg in den Sinn, die uns verrät, dass es hinter dem Horizont immer weiter geht. Ein beruhigendes Gefühl!
Mit dem Horizont bezeichnen wir die Linie, die den Himmel von der Erde trennt. Eine Linie, die für uns in weiter Ferne liegt, sozusagen am Ende unseres Sehens. Der Horizont ist ein Punkt, den wir physisch niemals erreichen werden, weil er sich immer in dem Maß von uns entfernt, wie wir ihm näherzukommen versuchen. Aber genau diese Entrücktheit, diese unüberwindbare, immer gleichbleibende Distanz macht den Reiz des Horizonts aus. Der Titel der Ausstellung verspricht, an dieser Grenze nicht Halt zu machen, sondern darüber hinaus zu gehen, eben hinter den Horizont. Und was erwartet uns da?
Die Malereien und Installationen von Catharina de Rijke, und das breite Spektrum an Skulpturen von Marianne Roetzel. Das unakademische Sehen, das nicht nach Komposition und historischen Zusammenhängen schaut, will zunächst erleben, will eingefangen werden, will schlicht genießen. Dieses Sehen ist emotional, es filtert das Wahrgenommene auf seine Weise und kann daher eine besondere Unmittelbarkeit erzeugen. Vielleicht deshalb und nur ganz flüchtig kommen einem diffuse Farbflächen und Abdrücke in den Sinn, wenn man den Bildern von Catharina de Rijke das allererste Mal gegenübertritt. Aber nein. Catharina de Rijke schafft keine Kleckereien. Im Gegenteil.
Catharina de Rijke schafft konzentrierte Bilder, die klar ihr Thema zeigen, indem sie alles überflüssige einfach nicht malt. Stattdessen legt sie größte Sorgfalt auf Farbverläufe, Farbklänge und Farbnachbarschaften. Sie arbeitet auf eine kompositorische Ausgewogenheit der Bildgegenstände hin und minimiert ihre Erscheinung hin zum Kontemplativen. Ihre Bilder sind schwer zu greifen, vielleicht auch schwer zu begreifen. Auf jeden Fall vermitteln sie eine Momentaufnahme, ein kurzes Innehalten, bevor das Bild sich weiter verändert. In ihrer Präsenz wirken sie seltsam entrückt, irgendwie flüchtig. Auf jeden Fall bewegt und nachhaltig.
Die Serie This Earth/This Passage zeigt beispielhaft, wie vieldeutig und vielschichtig die Arbeiten sind. Der im Titel angedeutete Übergang, das Verständnis, dass wir auf der Erde nur Besucher auf Zeit sind, setzt Catharina de Rijke auch malerisch um. Das Thema ist die Geburt eines Vogels aus dem Ei. Dieser erhabene Moment der Befreiung einerseits und das schutzlose Ausgeliefertsein andererseits ist sehr symbolisch. Ihre Handschrift ist unverwechselbar. Die in mehreren, transparenten Farbschleiern oder opaken Schichten aufgetragene Malerei verdichtet manchmal das zentrale Motiv oder löst es auf. Die Farbpigmente sind mal mehr, mal weniger präsent, nie aufdringlich oder laut. Catharina de Rijke fokussiert genau den Übergang, an dem sich die Malerei auflöst. Es ist eine sehr poetische Passage, die von fließenden, flüchtigen Übergängen erzählt.
Catharina de Rijke widmet sich vor allem Landschaften, die keineswegs reale Landschaften abbilden, sondern vielmehr mit der Idee von Landschaft spielen. In ihren Bildern spiegeln sich ihre technischen Erfahrungen mit den Strukturen, Farben und Lichtreflexen, aber vor allem zeigen ihre Malereien ihre geistige Auseinandersetzung mit der Landschaft. Sie schafft Idyllen, die auch zerstört werden können, sei es durch Reaktorunfälle in Fukushima oder Hochwasser. Sie erforscht und öffnet neue Räume. Als Künstlerin lotet sie das Machbare aus. Geht über Grenzen hinweg. Sie selbst sagt dazu: »Ich möchte mich gerne dorthin begeben, wo die Malerei unsichtbar wird, wo sie sich von allen Sinnen und Materialität löst. Dorthin, wo es keinen Horizont gibt, sondern nur Horizont-Ereignisse und eine schwebende, heitere Leichtigkeit.«
Catharina de Rijke vermag es, das grundlegende Trägermaterial allein mit Farbe etwas Einzelnes, sogar Einzigartiges zu verwandeln, als hätte sie dem Ding ein Stück Seele gegeben, ihm mit Finger und Kreide etwas von der Zartheit und dem Verletzbaren eines lebenden Wesens. Malerei kann das, wenn sie nicht allein wissend und gekonnt, sondern auch derart hingebungsvoll formuliert ist.
»Catharina de Rijke schafft konzentrierte Bilder, die klar ihr Thema zeigen, indem sie alles überflüssige einfach nicht malt.«
Nicht weniger hingebungsvoll sind die Skulpturen von Marianne Roetzel. Bleiben die Bilder von Catharina de Rijke zwangsläufig im Zweidimensionalen verhaftet, erreicht Marianne Roetzel mit ihren Installationen die Ausdehnung in den Raum. Mehr noch, ihre Skulpturen nehmen den Raum in Besitz und nehmen das Publikum gleich mit. Lebensgroße Wesen, Vögeln nicht unähnlich, stehen dicht an dicht im Raum. Mit ihren erhobenen Köpfen auf langen Hälsen muten sie klar und strukturiert an. Die nähere Betrachtung zeigt jedoch, dass es keineswegs ein Heer an uniformen Gestalten, sondern Individuen sind, die ganz unterschiedlich ausgeformt sind. Doch die langen Hälse, der streng gerichtete Blick macht eine Begegnung auf Augenhöhe schwierig. Man bleibt aussen vor, ist nicht beteiligt. Und dennoch sucht man Kontakt, ist viel zu neugierig. Zu viele Fragen ergeben sich. Wer sind sie? Woher kommen sie? Wohin werden sie gehen, vielleicht sogar fliegen? Auch hier ist die Passage, der Übergang, ein wichtiges Moment.
Die geflügelten Wesen von Marianne Roetzel machen Rast, halten innen auf ihrer Reise, von der wir keine Ahnung haben. Vielleicht ist es ihnen ja möglich, hinter den Horizont blicken? Man weiß es nicht. Und diese Ungewissheit fasziniert. Die Formation der Vogelwesen erscheint geschlossen, massiv, fast trutzig. Das Material dagegen ist alles andere als massiv. Marianne Roetzel formt ihre Figuren mit Pappmaché, das sie um ein Gerüst aus Baustahl legt. Pappmaché ist ein Material, das sehr fragil und schwierig in der Verarbeitung ist. So verwandeln sich diese geheimnisvollen Wesen auf den zweiten Blick zu empfindlichen, schutzbedürftigen Objekten.
Marianne Roetzel haucht ihnen durch den Entstehungsprozess neues Leben ein. Sie macht neugierig auf das in den Objekten Verborgene, deren Geschichte, deren Herkunft, sie wechselt zwischen Künstlichem und Natürlichem, Offensichtlichem und Verborgenem, Innen und Außen. Indem sie die Wesen positioniert und mit dem Publikum konfrontiert, schreibt sie deren Geschichte fort. Von diesem Spiel zwischen Ansehen und Aussage erzählen auch ihre eher menschlicheren Figuren. Auch hier sind es aufrechtstehende, schlanke Figuren, zu einer Gruppe formiert. Und es nicht eindeutig, welchen Geschlechts sie sind. Männer oder Frauen. Ihre Hautfarbe differiert, mal heller, mal dunkler. Sie treten hier als Einheit auf. Ihr Blick ist aufrecht, aber die Augen scheinen verschlossen. Ihr Gesichtsausdruck ist leer, vielleicht resigniert. In Decken gehüllt erinnern sie uns, gewollt oder nicht, sofort an die Situation von Geflüchteten. Zu präsent sind uns allen die Bilder aus den Nachrichten, die von Flüchtlingsströmen, Gestrandeten und Hilfebedürftigen erzählen. Ein beklemmendes Gefühl, dieser Situation im Raum direkt ausgeliefert zu sein, ohne schützenden medialen Filter.
Marianne Roetzel spielt mit der Irritation der Betrachtenden, mit der Begegnung mit dem Unerwarteten. Aber gerade das Unerwartete führt zu neuem Denken, weil es Sehgewohnheiten aufbricht. Trauen Sie sich also, Kontakt aufzunehmen. Vielleicht rettet uns an anderer Stelle der lachende Kopf aus dieser Situation? Sicher nicht. Denn sein Lachen ist zu laut, zu aufgesetzt, als das es aus Freude wäre. Man wird das Gefühl nicht los, selber ausgelacht zu werden. Vielleicht aus Wut und Verzweiflung über unsere Untätigkeit? Es gibt Künstlerinnen und Künstler, die ihre kreativen Impulse primär aus der Kunst selbst schöpfen, andere wiederum werden maßgeblich von ihrer Herkunft und ihrem gesellschaftlichen Umfeld geprägt, wieder andere treibt die permanente Infragestellung der eigenen Werke an.
Catharina de Rijke und Marianne Roetzel bedienen sich aus allen drei Inspirationsquellen gleichermaßen und lassen diese in ihren Werken einfließen. Beide Künstlerinnen eint eine große Verbundenheit zur japanischen Kultur, beide Künstlerinnen thematisieren in zurückhaltender Weise gesellschaftlich kritische Themen. Diese künstlerische Vorgehensweise gleicht einer Collage, bei der die einzelnen Teile aus ihrem ursprünglichen Kontext isoliert und zu etwas völlig Neuem zusammengefügt werden. Auf diese Weise wird Gewohntes neu gesehen, werden andere Standpunkte eingenommen oder vielleicht erst ermöglicht.
Hinter dem Horizont, und damit komme ich noch einmal zum Anfang meiner Rede zurück, impliziert nicht zuletzt auch die Motivation, an etwas Unmöglichen dranzubleiben. Hinter dem Horizont geht es weiter, das wissen wir. Nur wie, bleibt weiterhin spannend. Und so wünsche ich mir und Ihnen, dass wir noch viele gemeinsame Ausstellung sehen werde, die uns immer wieder neue Einblicke und Erkenntnisse liefern werden.